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Bericht des Usinger Anzeigers vom 10. Februar 2014
KIKERIKI-THEATER: Drei Mal volles Haus beim Klamauk in Hasselbach
Von S. Neugebauer
HASSELBACH - (sn). Schneebesen, Lockenwickler, Springform, Blechdosen, Babyfläschchen, Küchensieb und Schaumlöffel spielten die Hauptrolle in Hasselbach – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn aus diesen und noch vielen anderen Haushaltsutensilien hatte das Team des Kikeriki Theaters Darmstadt um Roland Hotz die Figuren für „Siegfrieds Nibelungenentzündung“ als „dreidimensionale Karikaturen“ gebaut.
„Hört ihr Leut’ und lasst euch sagen, wie sich’s weiter zugetragen“, in Form eines mittelalterlichen Bänkelsanges gaben Roland Hotz, Bernd Körner, Detlef Kühner und als „isländischer“ Pianist Steffen Stütz die Sage von Siegfried von seiner Geburt bis zu seinem Tode zum Besten. „Ihr sitzt hier net vor’m Fernseher, das is echt“, wandte sich Hotz in mittelalterlichem Narrengewand ans Publikum. Überhaupt machte es ihm Spaß, mit dem Publikum in Interaktion zu treten.
Er klärte es über die Gelologie auf, die Wissenschaft des Lachens. „Es gibt welche, die lachen verkehrt herum, das ist gefährlich, da saugt sich der Stuhl am Arsch fest“, warnte Hotz. Und so ging es in deftiger Sprache, stark hessisch eingefärbt, weiter. „Heute wird gezeigt, was die Sage sonst verschweigt“, und eines davon war der Drache, den Siegfried zu töten auszog. Dieser erwies sich als harmlos, denn er machte sich nämlich gar nichts aus Jungfrauen, sondern fühlte sich eher zu Männern wie Siegfried hingezogen. Und die Unverwundbarkeit des blonden Recken stammte auch nicht von dem Bad im Drachenblut, sondern von einem Geheimrezept des sensiblen Drachen für seine Hautpflege. So gestählt zog Siegfried weiter zum Hof der Burgunder. Letztendlich starb der Held aber nicht durch das Schwert Hagens, sondern durch übermäßigen Genuss des Zaubertranks, von dem ihn Zwerg Alberich abhängig gemacht hatte. Mindestens drei Erzählebenen griffen ineinander, gingen nahtlos ineinander über, das Ganze mit örtlichen und aktuellen Bezügen durchsetzt, und brachten so reichlich Abwechslung ins Geschehen auf der Bühne. „Das Zwischenmenschliche muss auch mal sein“, begründete Hotz das Gespräch zwischen Alberich und Siegfried über die Wohnungssituation des Zwerges. Aber der Theaterchef betreute auch seine Mitspieler auf der Bühne, verteilte die Pillen. „Die blauen sind meine“ bekannte Hotz, „ich nehm’ jeden Abend ‘ne halbe Viagra, damit ich nachts nicht aus dem Bett roll’“. Eine Klaus-Kinski-Gedächtnisszene, eine kurze Hitlerparodie oder die Simultanübersetzung für die Offenbacher, das Publikum kam aus dem Lachen kaum heraus. Und manchmal mussten selbst die Akteure auf der Bühne schmunzeln, wenn Hotz das Voranschreiten der Erzählung durch die jüngsten Fußballergebnisse und seine Kommentare dazu unterbrach. Drei Mal volles Haus war die Belohnung für den Männergesangverein „Liederkranz“, der das Kikeriki Theater aus Darmstadt in „die Alte Oper von Weilrod“ (Hotz) nach Hasselbach geholt hatte.
Bericht der Taunus-Zeitung vom 10. Februar 2014
Von Alexander Schneider
Dreimal ausverkaufter Saal – das Kikeriki-Theater räumt auf und zeigt: So war es wirklich
Man soll nicht alles glauben, was in den Geschichtsbüchern steht, oder man wäre hinterher bitter enttäuscht; oder glaubt es. Dann muss man aber das Darmstädter Kikeriki-Theaters zum Thema „Siegfried und die Nibelungenentzündung“ meiden. Dort nämlich erfährt das geneigte Auditorium nämlich, wie es wirklich war.
Weilrod-Hasselbach. Kaum zu glauben, aber Siegfried, der blonde Recke, Unbesiegbare und Urvater aller Bodybuilder war nichts anderes als ein verblondeter Maulheld mit Sonnenbrille. Von wegen Sieg über den Drachen mit anschließendem, lebensversicherndem Blutbad – nein, der Drache lebt, der Held ist tot.
Tatsache, der blonde Siggi war nur ein Schwätzer. Und der Drache? Nun ja, grün war er, und schwul. Er wollte nur schmusen. Siegfried hat ihn auch nicht erschlagen, schon gar nicht in seinem Blut gebadet. Die beiden hatten eine Affäre und badeten gemeinsam in Tannenöl...
Dass Siggi trotzdem mausetot ist, hat er sich selbst zuzuschreiben. Er könnte noch leben, hätte er nicht so gierig von des Zwergen Alberichs Zaubertrunk genippt. Sorry, Siegfried-Fans – der Typ war ein Junkie und hat sich quasi selbst den goldenen Schuss gesetzt. So kann’s gehen. Wohlmeinende Zeitungen hätten damals vermutlich berichtet, der Schönling sei von einer Lungenentzündung überraschend und viel zu früh dahingerafft worden.
Ausgeschüttet vor Lachen
Besser als mit „Siegfrieds Nibelungenentzündung“ kann man Geschichte(n) kaum verkaufen. Und verbiegen. Dreimal war der Saal des Kulturforums am Wochenende pickepacke voll, die Luft zum Schneiden, aber das machte nichts. Das Publikum war hinterher ganz leer. Es hatte sich ausgeschüttet vor Lachen. Organisiert hatte die Aufführung der MGV Liederkranz. Das Ensemble des „sagenhaften Blechspektakels“ bestand aus Stockpuppen aus Blechdosen, Schrott und Accessoires, die den Figuren Charakter gaben: Siegfried mit der Sonnenbrille, die Brunhild mit der Peitsche, Zwerg Alberich, Hagen, der Einäugige unter den Blinden, und wie sie alle hießen. Schreiend komisch in Szene gesetzt wurden sie von Roland Hotz, Bernd Körner und Detlev Kühner sowie Steffen Stütz am Piano.
Natürlich lebte das Stück von der verschlimmbesserten Interpretation der Nibelungensage, aber auch vom Umgang mit Sprache. Es wurde der Beweis erhoben, dass breitestes Dammstädder Platt ganz schön spitz sein kann. So dumm war es denn auch nicht, dass Roland Hotz Bernd Körners Kurzfassung des Nibelungenliedes als Ge-bärdendolmetscher übersetzte, schließlich hätten ja auch Offenbacher im Saal sitzen können. In der Tat konnte sich, wer des Dialekts nicht ganz mächtig war, in diesem Verbal-Slapstick etwas verloren vorkommen. Aber wozu gab’s verständige Nachbarn. Wie die Protagonisten mit der Sprache jonglierten, à la bonheur.
Wortspielereien
Von „einer Haut wie Leder“ auf „Vileda“ zu kommen und dann festzustellen, „dass die damals noch net emal Fenster hatte“, das war schon großes Kino. Auch dass Roland Hotz von Euo sprach, erschloss sich dem Publikum sofort: „Ei bei Mack hab’ isch’s r doch aach weggelasse.“ Klar, das macht Sinn. Im Kikeriki-Thater wird nicht jedes Wort auf die Goldwaage gelegt. Die Konversation war mitunter recht deftig, ja, auch schlüpfrig und die Gürtellinie wurde auch ein ums andere Mal unterquert. Aber es blieb im Rahmen und man konnte immer noch herzlich drüber lachen.
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